Fenster – Zeitzeugen der Epochen

Jede Epoche brachte charakteristische Fensterformen hervor. Wer sich für Architektur interessiert, erkennt die typischen barocken Stichbogenfenster oder die geschwungenen Sprossen des Jugendstils mühelos.

Fenster waren in früheren Zeiten mehr als blosse Lichtspender: Sie verrieten den sozialen Status ihrer Besitzer. Zu Zeiten der Fenstersteuer konnten sich nur bemittelte Familien zahlreiche und grosse Fenster leisten. Wer etwas auf sich hielt, gönnte sich auf der repräsentativen Strassenseite schmucke und wärmedämmende zweischalige Kastenfenster, während auf der wenig frequentierten Seite gegen den Hof einfachverglaste Fenster zum Einsatz kamen. Auch die Epochen spiegeln sich in den Fenstern – wir stellen Ihnen die wichtigsten vor.

Kleinteilige Glasflächen – der Barock im 18. Jahrhundert

Das barocke Stichbogenfenster an Herrschafts- und Bürgerhäusern zeichnet sich durch eine kleinteilige Sprossierung des Glasflächen aus. Sprossen, Kämpfer und Setzholz sind schmal und einfach profiliert. Teilweise sind die Sprossen auch als Bleiruten ausgebildet. So lassen sich mehrere kleinere Glasflächen verbinden. Auf dem Land ist das barocke Fenster meist durch Kreuzsprossen aufgeteilt. Praktische Schiebefensterchen ergänzen die meist naturbelassenen Fenster.

Das Beste aus alten Zeiten – der Historismus im 19. Jahrhundert

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert greifen Architekten und Künstler auf vergangene Stilrichtungen wie die Romanik, Gotik, Renaissance oder den Barock und Rokoko zurück – deshalb spricht man auch von der Zeit des Historismus. Die Fensterflügel erlauben grössere Glasflächen, mit zwei bis drei Quersprossen oder auch ganz ohne. Das Oberlicht ist zweiflüglig und nicht unterteilt. Die Anstriche mit neu künstlichen Farbstoffen reichen, abgestimmt auf das Fassadenkonzept, von Grau- über Blau- bis zu Grüntönen.

Verspielt und fantasievoll – der Jugendstil Ende des 19. und Anfang 20. Jahrhundert

Die ungeteilte Glasfläche ist an Jugendstil-Herrschaftshäusern im städtischen Raum weit verbreitet. Oberlichter oder der untere Teil des Fensterflügels sind durch schmale Quer- oder Längssprossen – teilweise geschwungen – dekorativ aufgewertet. Die Farbe Weiss überwiegt, vereinzelt sind jedoch auch dunkle Farbtöne zu sehen. Auf dem Land sind die mit Quersprossen unterteilten Fenster im Gebrauch, aber die nicht unterteilten Fenster nehmen zu. Neu setzt sich der Kippflügel beim Oberlicht durch. Das Holzwerk ist nun seltener naturbelassen und häufiger hell gestrichen.

International und uniform – die Moderne des 20. Jahrhunderts

Der Modernismus beginnt nach dem Ersten Weltkrieg 1918 und schliesst verschiedene, nicht eindeutig abgrenzbare Strömungen ein: ExpressionismusBauhausNeues BauenNeue SachlichkeitInternationaler StilKonstruktivismus und Funktionalismus.

In dieser Zeit setzt sich die grosse Glasfläche durch und Fensterbänder gehören zur Stilsprache. Neben Holz als Material für den Rahmen kommt auch Eisen vermehrt zum Einsatz. Doppelverglasungen lösen die bis dahin stark verbreiteten Vorfenster zusehends ab.

Bilder: Tim Russmann / Marina Reich (unsplash)

 

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