Kultur, Energie und Nachhaltigkeit unter einem Hut

Fenster aufdoppeln, Gläser ersetzen oder Vorfenster renovieren: Um ein historisch wertvolles Gebäude energetisch auf Vordermann zu bringen, muss die Original-Bausubstanz keinesfalls weichen. 

Während mehr als einem Jahrhundert hatten die dekorativen und charakteristischen Vorfenster im neobarocken Stil eines 150-jährigen Wohnhauses im Basler Gellert-Quartier Wind und Wetter getrotzt. Kaum verwunderlich, dass einige Stellen im Holz in einem desolaten Zustand waren. Insbesondere das auffällige schräge Vorfenster mit seinen zahlreichen Sprossen schien der Witterung besonders ausgesetzt gewesen zu sein. Um möglichst viel von der Originalbausubstanz zu erhalten, entschloss sich die Eigentümerschaft, die Vorfenster so sanft wie möglich renovieren zu lassen. «Wo keine Rettung mehr möglich war, entfernten wir Teile der Holzflügel sorgfältig und setzten fachgerecht neue Eichenholzabschnitte ein,» erklärt Stephan Hasler, Geschäftsführer des Basler Fensterbauunternehmens Quadra Ligna.  

Auch die bestehenden Holzwetterschenkel mussten neuen - original nachgebildeten - weichen. Einzelne gesprungene Gläser zwischen den Sprossen wurden mit gezogenem Glas ersetzt und mit einem Doppelverglasung-Leinölkitt mit dem Flügel verbunden. Im Innenbereich der Fenster liessen sich einige der Beschläge erhalten, andere waren schlicht zu stark verrostet. Dank eines stattlichen Fundus an Original-Beschlägen kann Quadra Ligna solche Metallteile stilecht ersetzen. 

Zeitzeugen bewahren 

Bei Fenstern an historischen Gebäuden gilt es jeweils, den Spagat zwischen dem Erhalt der Bausubstanz, energetischer Sanierung und einem komfortablen Wohngefühl zu schaffen. Das Fenster als Bauteil muss dabei zahlreiche technische Anforderungen erfüllen: Es verbindet das Innen mit dem Aussen; sorgt für Licht und ermöglicht Ein- und Ausblicke. Es dient dem kontrollierten Luftaustausch, der Sicherheit, dem Schall- und dem Wärmeschutz. Material, Proportion und Konstruktion machen Fenster zu wertvollen Zeitzeugen, die das Raumgefühl in einem Gebäude prägen.  

Jedes Fenster ist ein Unikat. Insbesondere historische Fenster, aber auch solche der Moderne, besitzen einen einmaligen Charme, der bei einem Ersatz unwiederbringlich verloren geht. Dass dies nicht sein muss, zeigen Renovationssysteme wie das von Quadra Ligna. Die Aussenseite der Fenster wird dabei mit einem massgefertigten Profil aus witterungsbeständigem Schweizer Eichenholz aufgedoppelt, damit eine zusätzliche Glasebene eingesetzt werden kann und danach lasiert oder gestrichen. «Verzogene oder schiefe Rahmen stellen kein Hindernis bei der Renovation dar, da die Aufdoppelung für jedes Fenster individuell und in Handarbeit angepasst wird», erläutert Jochen Ganz, Inhaber von Quadra Ligna. 

Das Fensterglas wird durch eine Zwei- oder Dreifachisolierverglasung ersetzt, die auf die optimale Wärmedämmung und bei Bedarf für besondere Schallschutz- und Sicherheitsanforderungen wie Verletzungsrisiken bei Glasbruch, Einbruchschutz oder Absturzsicherung ausgelegt ist. Werden dabei spezielle, gezogene Gläser verwendet, bleibt auch die unverwechselbare leicht unregelmässige Oberfläche der ursprünglichen Verglasung erhalten. Eine umlaufende Dichtung macht das Fenster wind- und schlagregendicht. Die Fuge zwischen dem neuen Aufdoppelungsrahmen und dem historischen Bauteil ist nach unten entlüftet; so dass allfällige Feuchtigkeit entweichen kann.  

Massgeschneiderte Handwerkskunst 

Die Stadt Basel ist voll von historischen Gebäuden und Fenstern. Im alten Basel hiessen die Fassadenöffnungen “Lichter”, die Dachluken “Tagläscher”. Damals, im 15. Jahrhundert, waren die runden Butzenscheiben üblich. Nur die wichtigeren Räume waren mit Glasfenstern ausgestattet, bei den anderen mussten oft Holzläden genügen, oder halbtransparente Stoffe und Papierabdeckungen.  

Immer wieder erfordern Renovationen deshalb eine enge Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege. So auch bei einem Gebäude im Basler “Dalbe” oder St.-Alban-Quartier aus dem Jahr 1897, das zu den Inventarobjekten zählt. Diese Objekte stehen (noch) nicht unter Denkmalschutz, haben aber einen kulturellen, geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Wert für das Basler Stadtbild. Die Eigentümerschaft hat das Wohn- und Praxisgebäude aus der Jugendstil-Zeit über mehrere Jahre komplett saniert. Dabei doppelten die Fachleute von Quadra Ligna insgesamt 48 Fenster auf. Ein aufwendiges Unterfangen, denn die Formenvielfalt dabei war gross: Ovale Formen, Rund-, Stich- oder Chorbögen. Zusätzlich wurden drei Türen mit Oberlichtern, die in den Garten führen, mit demselben Verfahren renoviert. Lediglich die Faltschiebetüren der Dachterrasse waren nicht mehr zu retten und wurden durch neue ersetzt. 

Da im Zuge der Totalsanierung die Heizung ebenfalls ersetzt wurde, ist eine Aussage darüber, ob durch die Fensterrenovation Energie eingespart wird, nicht möglich. Frühere U-Wert Messungen von Quadra Ligna zeigten auf, dass bei älteren, einfachen Verglasungen Ug-Werte von 5.7 oder mehr nicht aussergewöhnlich sind. Nach der Sanierung und dem Anbringen einer zweiten Glasebene mit spezieller Beschichtung weist das Fenster einen deutlich besseren Ug-Wert von ca. 1.3 auf. 

Kein Fenster zu klein, um Energie zu sparen 

Jedes Fenster ist ein Unikat und die erfahrenen Mitarbeitenden von Quadra Ligna  werden bei ihrer Arbeit immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. So stiessen sie – ebenfalls im Quartier St. Alban – bei einem denkmalgeschützten Gebäude aus der Zeit vor 1919 auf sogenannte Lüftungsflügel.  Bei diesem früher üblichen Element ist zwischen den Sprossen jeweils ein zweiter, kleiner Fensterflügel eingebaut, der sich separat öffnen lässt.  

Der Eigentümer legte Wert darauf, durch die Fensterrenovation nicht nur den Wärmeschutz seines Gebäudes zu verbessern, sondern auch, die Funktionstüchtigkeit dieser speziellen Fensteröffnungen vollumfänglich zu erhalten. Deshalb versah Quadra Ligna an neun Fenstern je zwei kleine Lüftungsflügel mit einer Gummidichtung und setzte ein Wärmeschutzisolierglas ein. Pro Fenster galt es, sage und schreibe acht unterschiedlich grosse Scheiben aufzudoppeln und mit einer zusätzlichen Glasebene zu versehen.  

Erstabdruck im Schweizer Energiefachbuch 2023

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